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Jordanien: Ein Theaterprojekt stärkt Jugendliche

Jordanien ist ein Land mit einer jungen Gesellschaft. Über 60 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre. Gleichzeitig ist die Jugendarbeitslosenquote extrem hoch: 2022 lag sie bei 36,4 Prozent. Die jordanische Jugend leidet unter der Gesamtsituation im Land. Die Knappheit der natürlichen und finanziellen Ressourcen beeinflussen ihre Lebensrealität. Raum für Beteiligung und Kreativität bleibt da kaum. Das will eine Partnerorganisation des ZFD-Trägers forumZFD ändern.

Gesellschaftlicher Wandel durch Kunst

Das Licht ist aus, kein Geräusch ist zu hören. Die Blicke auf die Bühne gerichtet, warten alle darauf, was als Nächstes passiert. Jeder Stuhl ist besetzt, die Luft im Raum knistert vor Spannung. Auch Maisam Naser hat Lampenfieber. Sie ist soziale Aktivistin, Unternehmerin und Theaterschauspielerin. Die Lebensumstände von Jugendlichen in ihrem Land Jordanien haben sie 2016 veranlasst, „Wahj Al Shams“ (Sonnenschein) zu gründen. Die gemeinnützige Organisation setzt sich für die Lösung von gesellschaftlichen Problemen und Konflikten durch Kunst und Theater ein.

Maisam Naser gründete Wahj Al Shams als Zufluchtsort für aufstrebende Kunstschaffende und talentierte Jugendliche. „Ich wollte eine kleine und sichere Gemeinschaft aufbauen, in der sie Theatererfahrung sammeln, ihre sozialen Fähigkeiten verbessern, sich frei ausdrücken und aktive Mitglieder der Gemeinschaft sein können“, sagt sie. „In Jordanien fehlt es an Räumen für Jugendliche, die für ihre körperliche, soziale, kognitive und emotionale Entwicklung von grundlegender Bedeutung sind.“

Am Anfang war der Weg für Wahj Al Shams holprig. Sechs Jahre später verfügt die Organisation über ein eigenes Büro und hat mehr als 840 eingeschriebene Schülerinnen und Schüler. Der Fokus liegt nach wie vor darauf, Jugendlichen aus allen Gesellschaftsschichten in Jordanien gleiche Chancen zu ermöglichen. Gleichzeitig will Wahj Al Shams eine respektvolle, vielfältige und integrative Kunstgemeinschaft aufbauen, in der jeder und jede ohne Vorurteile willkommen ist und akzeptiert wird.

Einige der Teilnehmenden werden als gefährdete Jugendliche eingestuft. Unter ihnen sind Opfer häuslicher Gewalt, Jugendliche mit Drogen- oder Schulproblemen und solche mit psychischen Störungen. Und genau das thematisiert Wahj Al Shams auch in seinen Stücken. So können die Jugendlichen sich auf kreative Weise und in einem geschützten Umfeld mit den gesellschaftlichen Problemen ihrer Generation auseinandersetzen.

Das Theaterstück, das heute gezeigt wird, heißt „The Suitcase“ (Der Koffer). Eine Gruppe junger Studierender trifft sich in der Cafeteria. Unter einem der Tische entdecken sie einen mysteriösen Koffer. Sie fragen sich, was in dem Koffer sein könnte. Vielleicht verbirgt sich darin ja ein wertvoller Schatz? Doch der Koffer lässt sich nicht öffnen.

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Das Selbstwertgefühl stärken

Neben der Theaterarbeit bietet die Organisation Wahj Al Shams auch psychosoziale Unterstützung an. „Das hilft unseren Schülerinnen und Schülern, ihre Probleme anzugehen, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und den richtigen Weg zu finden. Manche Fälle übersteigen unsere Kapazitäten. Dann holen wir professionelle Unterstützung aus einem Netzwerk vertrauenswürdiger Psychologinnen und Psychologen, das wir uns aufgebaut haben“, erklärt Maisam.

Die Jugendlichen, die bei Wahj Al Shams eingeschrieben sind, bekommen nicht nur Schauspielunterricht. Unterstützt vom ZFD bietet die Organisation seit einiger Zeit auch Workshops zu Themen wie Konfliktbewältigung und „Do No Harm“ an. Dabei lernen sie, darauf zu achten, dass durch ihr Handeln kein Schaden entsteht. Das trage sehr zu ihrer persönlichen Entwicklung bei, berichtet Maisam: „Ich bin überrascht, wie sehr die Jugendlichen davon profitieren. Ich bin mir sicher, dass das Wissen und die Fähigkeiten, die sie jetzt haben, ihnen helfen werden, ihre Probleme besser zu bewältigen.“

Die hitzige Stimmung auf der Bühne lässt nach. Die Studierenden in der fiktiven Cafeteria haben verstanden, dass sie den Koffer nicht öffnen können, ohne ihre gesellschaftlichen Probleme zu thematisieren. Auch das Publikum wirkt nun ruhiger, nachdenklich. Als der Vorhang sich schließt, hallt der Applaus noch lange nach.


Der ZFD-Träger forumZFD Jordanien arbeitet seit 2021 mit Wahj Al Shams zusammen. Seitdem haben sie eine Reihe erfolgreicher Theaterstücke aufgeführt, die verschiedene gesellschaftliche Probleme beleuchten, darunter geschlechtsspezifische Gewalt, Mobbing, Kinderheirat, Drogenmissbrauch und Frauenrechte. „The Suitcase“ wurde bereits sechsmal in verschiedenen Regionen des Landes aufgeführt.

Der Text stammt von Jana Abdo und Kristin Mehler und ist zuerst auf den Seiten des forumZFD erschienen. Für unsere Website wurde er gekürzt und leicht überarbeitet. Die Fotos stammen ebenfalls vom forumZFD.

Weitere Infos zum Thema finden Sie auch auf den Seiten des forumZFD.